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Verpackungsfreies Einkaufen: Hilft es gegen Müllberge?

Verpackungsfreies Einkaufen bei Lunzers Maß Greißlerei

Im Schnitt wiegen Männer in Deutschland 82 Kilogramm, Frauen rund 70 Kilogramm. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Gesundheitsmagazins „Apotheken Umschau“. Der Durchschnitts-Bundesbürger ist demnach 172 Zentimeter groß und 76 Kilogramm schwer. Da fällt es schon schwer zu glauben, dass wir im Schnitt jährlich fast das Zehnfache unseres Gewichts als Müll produzieren (Quelle: Statistisches Bundesamt).

Wir produzieren im Schnitt fast zehnmal so viel Müll wie wir wiegen

Mit ganzen 611 Kilogramm Müll pro Kopf und Jahr liegt Deutschland (Stand 2012) deutlich über dem EU-Schnitt von 492 Kilogramm pro Kopf und Jahr und auf Platz vier der größten Müllproduzenten in der EU. Noch höhere Werte gab es nur in Luxemburg (662 Kilogramm), Zypern (663 Kilogramm) und Dänemark (668 Kilogramm). Die kleinsten Müllsünder in der EU sind vor allem die östlichen EU- Staaten. Die niedrigsten Müll-Mengen je Einwohner gibt es in Estland (279 Kilogramm) und Lettland (301 Kilogramm).

Zum Vergleich: In Dänemark waren es im Jahr 2012 668 und in Polen 314 Kilogramm Müll produziert. Der überwiegende Teil des deutschen  Mülls wird verbrannt und sorgt so zumindest ein Stück weit zur Energieversorgung. Aber muss das sein? Müssen wir wirklich zentnerweise Müll produzieren? Oder geht es auch anders? Woher kommen diese Müllmengen? Und, geht es nicht auch anders?

Verpackungsfreies Einkaufen als Lösung oder als erster Schritt?

Ich weiß: Ich bin ein Kind der 1980er Jahre. Übersetzt heißt das: Ich bin mit Jutebeutel und der ersten Welle der Vollkorn-Bio-Welle aufgewachsen. Die Plastiktüte war verpönt und irgendwie haben wir sie auch nie gebraucht oder vermisst. Wir sind einfach immer mit einem Jutesack zum Einkaufen geschickt worden. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich (fast) immer mit ausreichend Mehrweg-Tüten (gern die blauen von dem riesigen schwedischen Möbelhaus oder die aus der Drogerie) außer Haus gehe. Zum Einkaufen eigentlich immer. Für spontane Einkäufe muss ich gestehen, dass meine Handtasche groß genug ist, um diverse Einkäufe unterzubringen (Schatzi sagt, dass ich damit auch problemlos in einen dreiwöchigen Urlaub fahren könnte, aber das ist ja total übertrieben;)). Außerdem halte ich zehn bis 30 Cent für eine Plastiktüte einfach eine unnötige Ausgabe. Deshalb bin ich mit Tüten bewaffnet. Der Schritt zum verpackungsfreien Einkaufen ist für mich also nicht sooo weit. Aber wie soll das aussehen? Obst und Gemüse ohne Verpackung kann ich mir ja gut vorstellen. Aber Nudeln, Honig, Kaffee oder Milch? Wie soll das gehen?

Eine kurze Anleitung und ein Erfahrungsbericht zum verpackungsfreien Einkaufen

Verpackungsfreies Einkaufen: How-to

Verpackungsfreies Einkaufen: How-to

Und? Könnt ihr das lesen? Alles verstanden?:) Ich musste mir erst einmal überlegen, was ich brauche, was ich wie transportieren kann (wir haben ja kein Auto) und welche Kisten, Beutel und Boxen ich mitnehme. Aber hier bei Lunzers Maß Greißlerei in Wien habe ich alle Fragen total nett und geduldig erklärt bekommen. Kleine Übersetzungshilfe: Ins Deutsche übersetzt, ist eine Maß Greißlerei in etwa so etwas wie ein Tante-Emma-Laden. Für alle, die Interesse am verpackungsfreien Einkaufen haben, können übrigens online auch das Sortiment von Lunzer anschauen und ein bisschen planen. Außerdem gibts immer eine schnelle Antwort per Email, wenn man Fragen zum verpackungsfreien Einkaufen oder dem aktuellen Sortiment hat. Für jeden, der Interesse am verpackungsfreien Einkaufen hat, dem kann ich diese Karte hier empfehlen. Da könnt ihr nachschauen, ob und welchen Laden es in eurer Nähe gibt.

Verpackungsfreies Einkaufen: An der Brot- und Wursttheke

Verpackungsfreies Einkaufen: An der Brot- und Wursttheke

Ich bin also mit diversen Plastikboxen und Jutetaschen angerückt. Auf meinem Einkaufszettel standen: Honig, Kohlrabi, Nudeln, etwas zum Trinken und Brot. Und dann gings auch schon los. Ich habe mich schon darauf vorbereitet, dass mich mehr Reformhaus als kleiner, schicker Tante-Emma-Laden erwartet. Lunzers Maß Greißlerei ist schön anzuschauen, praktisch, sauber und riecht gar nicht nach Reformhaus! Für mich eine sehr, sehr angenehme Überraschung!  Ich habe mich auf Anhieb dort wohl gefühlt.

Verpackungsfrei Einkaufen: regional, bio und saisonal

Und die Auswahl? Die Auswahl beim verpackungsfreien Einkaufen ist fast genauso groß wie im Reformhaus. Das heißt, es gibt je nach Saison Obst und Gemüse, frisches Brot und Gebäck, Wurst, Käse, Wein, Bier, Saft, Milch, Sahne, Nüsse, Kaffee, Honig, Müsli, Cerealien, Mehle, Getreide, Öl, Essig, Gewürze, Nudeln, Reis, Zucker, Kakao, Backpulver, Shampoo, Duschgel, Seife, Geschirrspülmittel, Haushaltsreiniger, Schokolade, und, und, und. Also alles, was man so braucht oder auch nicht. Fast wie im Supermarkt. Mit dem Unterschied, dass ich wirklich nur das kaufe, was ich tatsächlich benötige. Und zwar genau in der Menge, die ich haben will. Denn meine mitgebrachten Boxen und Tüten werden vorher genau gewogen. Ich zahle also wirklich nur das, was drin ist. Keine Verpackung, keine Werbung, nix. Drin ist, was ich will. Fertig! Für mich das Paradies. Vorbei die Zeit, der riesigen Packungen, die monatelang im Schrank verstauben, weil sie nicht aufgebraucht werden. Ich brauche 658 g Honig für selbstgemachte Honignüsse? Kein Problem! Ich bekomme genau 658 g, wenn ich möchte!

Verpackungsfreies Einkaufen: Trockenware

Verpackungsfreies Einkaufen: Trockenware

Ist verpackungsfreies Einkaufen teurer als normales Einkaufen?

Natürlich ist verpackungsfreies Einkaufen in einem Laden wie Lunzers teurer als Aldi, Billa, Penny & Co. Aber es ist auch nicht teurer als ein Reformhaus oder der Bio-Markt. Wer Obst und Gemüse je nach Saison kauft, fährt auch schon mal günstiger. Dadurch, dass ich wirklich nur das kaufe, was ich tatsächlich verbrauche, spare ich Geld. Und ganz nebenbei: Müll und Lebensmittel, die dort gelandet wären, weil ich sie nicht verbraucht habe. Außerdem kommt alles aus dem Umland, oft direkt vom Hof um die Ecke. Das ist mir wichtig. Denn weite Transportwege, quasi einmal um den halben Erdball, finde ich nicht so gut. Im Zweifel möchte ich den Bauern und Produzenten meiner Lebensmittel sehen und besuchen können. Und mir ist ein Bauer vor Ort, der mich direkt anspricht, den ich tatsächlich fassen kann, erheblich sympathischer als anonymisyierte, standardisierte Massenware. Konkret: Gurken dürfen krumm sein, Karotten auch mal zu kurz und Äpfel eine unreine Stelle in der Außenhaut haben. Ich denke mir oft: Meine Umwelt ist in den meisten Fällen auch kulant und tolerant mir gegenüber. Warum muss ich also gegenüber Gemüse, Obst und meinem Essen generell so intolerant und mäkelig sein? Nicht, dass es bei Lunzers 2. Wahl-Lebensmittel gäbe. Im Gegenteil! Alles sieht frisch und köstlich aus! Nur eben nicht verpackt, sondern quasi nackt:)

Verpackungsfreies Einkaufen: Kaffee

Verpackungsfreies Einkaufen: Kaffee

Weiterer Vorteil des verpackungsfreien Einkaufen: Ich werde nicht mit aufgedruckter Werbung und Markengedöns beschossen wie in normalen Supermärkten. „Vorteilspack“, „Kaufen Sie das“, „Kaufen Sie jenes“, „jetzt 20 % mehr“. Unbehelligt kann ich mir das aussuchen, was ich tatsächlich möchte. So ganz eigenverantwortlich. fast schon beängstigend, wenn man als Kunde wieder selbst an seine Bedürfnisse und Wünsche denken muss!:)

Verpackungsfreies Einkaufen: Gewürze

Verpackungsfreies Einkaufen: Gewürze

War verpackungsfreies Einkaufen umständlich?

Wie gesagt, haben wir kein Auto. Wir kaufen also zu Fuß und mit dem Rad ein. Neuerdings auch mit Kinderwagen, was ja fast wie eine Einkaufshilfe ist, weil man wirklich viel unten rein packen und dranhängen kann. Und für unseren 2-Personen-Haushalt ist es absolut machbar unseren Bedarf für eine Woche verpackungsfrei Einzukaufen. Das Manko für uns ist: Lunzer liegt einfach komplett entgegengesetzt von unserem Büro und der Wohnung. Das macht es für uns schwierig dauerhaft und regelmäßig dort einzukaufen. Aber: So ein Kontrast-Einkauf hat mir gezeigt, es geht auch ohne Verpackungen und Müll. Ich bin im Supermarkt sehr viel sensibler, was Verpackungen und Werbung anbelangt. Und so hoffe ich, dass ich  weniger Müll produziere. Ich bin achtsamer und konsumiere bewusster. Ein kleiner Schritt, aber zumindest in die richtige Richtung. Ich kann es jedem nur ans Herz legen, verpackungsfreies Einkaufen auszuprobieren und sich auf das Experiment einzulassen. Vielleicht haben wir ja im Jahr 2020 dann nur noch halb so viel Müll? Ich würde das gut finden.

Verpackungsfreies Einkaufen: Getränke

Verpackungsfreies Einkaufen: Getränke

Verpackungsfreies Einkaufen: Reinigungsmittel

Verpackungsfreies Einkaufen: Reinigungsmittel

 

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